Teile des Films wurden in einer JVA gedreht. War dies für Sie als Schauspielerin eine besondere Herausforderung?
In einem echten Gefängnis inmitten von inhaftierten Jugendlichen zu drehen, war eine besondere Erfahrung und eine große Bereicherung für die Authentizität und die Atmosphäre der Dreharbeiten. Es hatte etwas beklemmendes, als „freier“ Mensch morgens durch die Gefängnisschleusen gelassen zu werden und zu wissen, dass man am Abend, im Gegensatz zu all den Jugendlichen, denen man im Laufe des Tages begegnete, durch dieselben Tore einfach wieder in die Freiheit hinaus durfte. Es war erschreckend, die Realität einer Jugendknastzelle zu erleben. Es war kaum möglich, sich einmal um die eigene Achse zu drehen. In dem Gefängnisaltbau, in dem wir drehten, gab es nur sehr kleine Fenster unter der Decke der Zelle. Um herauszuschauen, musste man sich auf sein Bett stellen. Für meine Rolle der jungen Regisseurin, die mit all ihrem Idealismus und ihren Kunst- und Theateransprüchen zum ersten Mal in ihrem Leben in Berührung kommt mit dem Alltag und der Realität in einem Jugendknast, hat es mir sehr geholfen.
Sie sind die einzige Frau im Ensemble. Wie haben Sie es empfunden, eine Riege von Männern zu „dirigieren“?
Es war gar nicht so leicht, sich immer die nötige Autorität und Aufmerksamkeit zu verschaffen und die Gruppe zusammen zu halten. Im Grunde war ich als Schauspielerin in einer ähnlichen Situation, wie Fanny es in der Geschichte ist. Der ständige Kampf hat mir geholfen Fannys Situation nachzuempfinden. Nichtsdestotrotz hat es mir aber auch Spaß gemacht, so etwas wie der „Spielführer“ zu sein.
Wie würden Sie das Verhältnis von Fanny zu Pjotr beschreiben?
Fanny ist fasziniert von Pjotr, dem unnahbaren, undurchsichtigen, stillen Russen. Er strahlt eine Sensibilität und gleichzeitig eine Gefährlichkeit und Gewalt aus, die ihr fremd ist. Diese Welt, aus der Pjotr kommt, kennt sie nicht und die macht ihr Angst. Gleichzeitig spürt sie Pjotrs Wunsch, dieser Welt zu entkommen. Sie ist berührt von seinem schauspielerischen Talent, der Wahrheit und Tiefe seines Spiels. Und da sie ein idealistischer Mensch ist, glaubt sie, ihn retten zu können.
In Ihrer Rolle Fanny gehen Sie weitestgehend angstfrei und offen mit den „Inhaftierten“ um. Glauben Sie, dass Sie in der Realität ähnlich wie Fanny mit der Situation umgehen würden?
Das ist natürlich schwer zu sagen. Ich kann mir vorstellen, dass ich mit einem ähnlichen Idealismus und wahrscheinlich auch dieser gewissen Naivität, wie sie Fanny aus ihrer heilen Welt mitbringt, in solch eine Situation kommen würde. Es ist schwer, sich vorzustellen, was diese Jugendlichen erlebt haben, aus was für familiären Nöten sie kommen und was sie zu den Menschen gemacht hat, die sie heute, minderjährig in Gefangenschaft, sind. Ohne den Glauben an das Gute im Menschen und die Hoffnung, dass sich Menschen ändern können, wenn sie mit all ihren Schwächen und Ängsten ernst genommen werden, wenn sie positive Erfahrungen machen, die sie stärken und ihnen Selbstvertrauen geben, würde es wohl gar keinen Sinn machen sich in eine Situation zu begeben, wie Fanny es in der Geschichte tut.
Quelle: Pressemappe des Films Schurkenstück, herausgegeben vom Westdeutschen Rundfunk Köln, Pressestelle, Appellhofplatz 1, 50667 Köln